Die Rumänien-Reise vom 15.-23. September 2019

Ein Bericht

 

von Prof. Dr. Dr. h.c.  Volkmar Hansen

 

(Direktor des Goethe-Museums - Düsseldorf a.D.)

In Ausfüllung der Zielsetzung der 2005er Konvention der Unesco zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen, an der ich als Mitglied der Deutschen Unesco Kommission mitarbeiten konnte, hat der 2009 gegründete Deutsche-Rumänische Kulturverein Athenäum unter der Leitung von Livia Medilanski  2019 ihre vierte, neuntägige Reise nach Bukarest unternommen. Ständige Begleiter waren erneut ein Team des internationalen TV-Programms Rumäniens.

In den ersten drei Tagen wurde die 14köpfige Delegation von dem Düsseldorfer Kulturdezernenten Hans-Georg Lohe geführt, begleitet von Prof. Wingertszahn vom Goethe-Museum. Der offizielle Empfang im Komplex des von Frau Prof. Popoiu geleiteten „Dorfmuseums“ (repräsentative Haustypen mit Berücksichtigung der Minderheiten) unterstrich die Absicht der Völkerverständigung ebenso wie bei dem Besuch des früheren Königspalais Cotroceni.

 An dem heutigen Sitz  des Präsidenten Iohannis wurden wir von dem Leiter des Präsidialamtes Sergiu Nistor, der anerkennende Dankschreiben verteilen konnte, und dem Direktor des Museums Liviu Jicman begrüßt.

Auch im neuerbauten Nationaltheater begrüßte uns der Direktor Ion Caramitru, ehe eine Führung durch sechs Bühnen die komplexe Struktur und Nutzung erläuterte; den Abschluß bildete ein Blick über die Dächer von Bukarest von der Dachterrasse.

Mit einer hochrangig besuchten Vernissage wurde in der Kunstakademie eine Ausstellung zu dem in den USA relativ bekannten Porträtisten Dimitrie Berea eröffnet.

Der kulturelle Schwerpunkt lag im Rahmen des umfangreichen, stets gut besuchten George-Enescu-Festivals auf fünf vorzüglichen Konzerten mit Klavier- und Violin-Virtuosen mit Gastorchestern und -chören aus Freiburg/Br., Florenz, Lille, einem international zusammengesetzten Mahler-Orchester, Basel.

Ein weiterer Akzent lag auf den Literaturmuseen, dem zentralen, dem Nationaldichter Mihai Eminescu gewidmeten Museum,  und  fünf kleineren Memorialmuseen. Nach der Begrüßung durch den Direktor I. Cristescu hatte der Fernsehjournalist  S. Gavriloaia ein Lesungs- und Vorstellungsprogramm zusammengestellt,  das die Übersetzerin G. Gabor-Dreyer in unseren Reihen besonders würdigte.

In einem ruhigen Außenbezirk gelegen, wurde das minimal veränderte Haus und die Grabstätte des religiös geprägten Dichters Tudor Arghezi (1880-1967) besucht, der während der Kommunistenzeit im Land geblieben ist. Die engagierte junge Kuratorin der Memorialhäuser wies besonders auf dessen unehelichen Sohn Eli Luter (1905-1969) hin, der als Fotoreporter zuletzt  im Pariser Jeu de Paume 2017 eine Retrospektive erlebt hat.

Im sammlungslosen, jedoch geschickt mit modernem Design aufbereiteten kleinen Wohnhaus des Dichters Anton Pann, wurden wir von einem vom weit angereisten Trio mit Volksliedern begrüßt, das schon wiederholt in Düsseldorf sein konnte.

Interessierte Besucher, konnten wir im noch im Privateigentum befindlichen Wohnhaus der deutschstämmigen Bildhauerfamilie Storck antreffen, deren Skulpturen enteignet und öffentlich zugänglich gemacht wurden. Orientiert an Rodin und dem Jugendstil, befinden sich zwei 65 cm hohe Büsten von Goethe (dynamisch) und Schiller (besinnlich) in der Dauerausstellung.

Fündig konnten wir auch in zwei Villen Minovici in Bukarest werden, die in ihrer meist französischen Bibliothek Bände von Lessing, Goethe, Heine und Keller aufbewahrten.

 Geschichtliche Perspektiven eröffneten sich durch den auf einem Hügel gelegenen Palast des Patriarchen, der jetzt im Goldglanz strahlt und zugleich den alten Plenarsaal der Nationalversammlung präsentiert. Der Direktor des Nationalen Kunstmuseums, dessen Mittelalterteil wir intensiv anschauten, möchte gerne eine Ikonenausstellung in Düsseldorf zeigen.  Im stadtgeschichtlichen Museum dominierten  Film- und Fotodokumente der dreißiger Jahr.

 In der Arges-Region liegt die Villa Florica, das heute als Begegnungsstätte genutzte, renovierte  Gutshaus des bedeutenden Politikers Ion C. Bratianu (1821-1871), der zu den Männern gehörte, die 1866 den Hohenzollernprinz Karl aus Düsseldorf in die 1859 vereinigten Donaufürstentümer Moldau und Walachei gerufen haben. Auch dort ist Goethe gut in der Bibliothek vertreten. Unter der zugehörigen Kapelle ist Bratianu zusammen mit einem Sohn in Prunksärgen beigesetzt.

Ein zweiter Initiator war Nicolai Golescu, dessen in dem Museum Golesti gedacht wird.  In dem renovierten Haus der Familie, inmitten von Park- und Nutzbaum-Anlagen gelegen, befindet sich der Thron Carol I. sowie eine großer Schreibtisch, der mit den Initialen C und E (für dessen Gattin  Elisabeth, begeisterte Führerin Livia hat eine Masterarbeit über die Übergangsphase geschrieben; sie betonte, daß nicht innere Streitigkeiten den Abgang von Alexander Cusa nach sieben Jahre Herrschaft erzwungen haben, sondern das Scheitern von dessen Versuch, durch eine Dynastiegründung mit seinen Söhnen die vereinigten Länder dem osmanischen Reich zu entziehen.

In die jüngste Geschichte führte ein Ausflug  zum römisch-katholischen Karmeliterkloster Ciofliceni, einem ästhetisch wohlgelungen, viel mit Holz arbeitendem Komplex, dessen Kirche einen schmerzfreien Jesus am Kreuz präsentiert.

Gartenrestaurants, zuletzt am Park-See Herastrau, bildeten einen angenehmen Gegenpol zu dem dichten Programm, das in den frühen Abendstunden des 21. September mit einem fünfzigminütigen Licht-Wasser-Spiel auf der Piata Unirii gekrönt wurde: zahlreichen Menschen, auch Familien mit kleinen Kindern, erlebten bei westlicher Pop-Musik ein Freiheitsgefühl, das vor 30 Jahren erst möglich wurde.