Fünf Tage in Iasi
30.10. - 04.11.2019
Nachfolgend, bieten wir Ihnen den schönen Bericht von Prof. Dr. Dr. h.c. mult, Volkmar Hansen, Ehrenpräsident des Vereins, über diese Reise an:
Alexander Ioan Cuza (1820-1873), gewählter Fürst in den Ländern Moldau und Walachei (rumänisch Muntenia) und Vasall des türkischen Sultans, hat 1859, vor 160 Jahren, die Erlaubnis erhalten, die beiden Fürstentümer zu vereinigen. Aus diesem Anlaß hat der Oberbürgermeister Mihai Chirica von Iasi den Deutsch-Rumänischen Kulturverein Atheneum zu einem Besuch in die elegante 400.000-Einwohnerstadt östlich der Karpaten eingeladen. Livia Grama Medilanski, Frau Dr. Heike Spies und Professor Hansen konnten eine Gruppe von 18 Personen, oft aus deutsch-rumänischen Ehepaaren gebildet, zusammenstellen, zu denen gelegentlich einzelne Freunde und Verwandte hinzustießen. Mit der Unternehmerpersönlichkeit Dr. Bogdan Cuza gehörte ein direkter Nachfahre des Vereinigungsfürsten zu unserer Gruppe. Wir bezogen das Drei-Sterne-Hotel Ramada im Zentrum der Stadt. Die Stadt stellte uns für die Besuchstage einen Kleinbus zur Verfügung. Das vertraute Fernsehteam Sandrino und Andrei begleitete uns.
Die repräsentative Rolle des Besuchs machte zunächst ein Empfang im Rathaus durch den Oberbürgermeister und seinen Deutsch sprechenden Stellvertreter Radu Botez deutlich. Dem Oberbürgermeister konnte ich einen Brief von Oberbürgermeister Geisel überreichen; als Gegengeschenk für Bildbände überreichten wir ihm den großformatigen Band „West-östlicher Divan“ von Heinz Mack, den er 1999 zu einer seiner Ausstellungen im Goethe-Museum geschaffen hatte. In Reden von rumänischer Seite kam der Wille zur vertieften Kooperation zwischen der Stadt Düsseldorf im Zentrums und Iasi am östlichen Rand der Europäischen Union zum Ausdruck. Chirica betonte die Bedeutung des Königs Ferdinand, von dem eine Großstatue vor dem Rathaus steht, für die Verbindung zu Deutschland. Die Atmosphäre herzlichen Austauschs setzte sich an drei weiteren Terminen persönlicher Teilnahme fort, die mit dem festlichen Abendessen im 13. Stock des Panorama-Restaurants ihren Abschluß fand.
Dem starken historischen Interesse unserer Gesellschaft folgend, das in der Gestalt Karls von Hochzollern aus dem Schloß Jägerhof begründet ist, der Rumänien in einem zweiten Schritt zu einem selbständigen Königreich machen konnte, fiel der besondere Blick auf Cuza. Ein Ausflug führte uns bei angenehmen spätsommerlichen Temperaturen ins 50 Kilometer entfernte Schloß Ruginoasa, das Cuza 1862 von der Familie Sturzda erworben und für zwei Jahre bewohnt hat. Eindrücke aus der Familie konnte Dr. Cuza bei der Führung hinzufügen. Lebhafte Schüler in Gruppen dokumentierten das Interesse an dem Haus und seinem umgebenden Areal. Unser Programm haben wir, nachdem wir davon erfahren hatten, daß es einen Friedhof für deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs gibt, um einen Punkt erweitert. Zusammengelegt aus dem ganzen Moldau-Gebiets, sind auf dem katholischen Teil des Hauptfriedhofs etwa 20.000 Gefallene würdig bestattet; eine große Rasenfläche ist durch drei kleinere Steinkreuz-Gruppen gegliedert, ein großes Steinkreuz steht in der Mitte. In der Stadt lernten wir auch eine Etagenwohnung kennen, in der ökumenisch eine kleine Gruppe von Deutschen, die nicht ausgewandert sind, einen Treffpunkt haben; von einer Selbstvorstellung der Reiseteilnehmer profitierten nicht nur die Nutzer des Deutschen Forums. In der Stadt selbst konnte Dr. Cuza einen weißen Kranz am Denkmal seines Vorfahren auf dem Platz der Einheit niederlegen sowie sein museal genutztes Stadthaus erläutern. Ein weiterer Kranz galt dem Grab Alexander Cuzas in der direkt am Boulevard Stefan der Große befindlichen Klosterkirche „Heilige drei Hierarchen“. Dort befindet sich auch das Grab des Historikers Cantermir, der 1710/11 eine monumentale „Geschichte des osmanischen Imperiums“ veröffentlicht hat. In der Metropolie nebenan waren Fragmente einer älteren Kirche ausgestellt, zudem mit der ersten Bibelübersetzung ins Rumänische. Die auf einer Hügelspitze gelegene Klosterwehranlage Cetatuia, von Mönchen geführt, lud zum wärmenden Mittagsessen ein, das bei Nachtkühle und kräftigem Wind besonders mundete.
Über Probleme der Stadt Iasi wurden wir in dem Vortrag in der Industrie- und Handelskammer informiert, denn die infrastrukturelle Anbindung ist schlecht. Es fehlt eine West-Ost-Autobahn durch Rumänien; als Dr. Karol König, der frühere Leiter der Kulturabteilung Rumäniens zu uns stieß, hatte er für die 400 Kilometer von Bukarest auf der Bahn sechs Stunden gebraucht. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 3%; man importiert Arbeitskräfte aus Vietnam. Es soll schon Rückwanderer geben. In einer Zeitung konnten wir eine Anzeige lesen, die Elektriker und Bauleute nach Deutschland holen will, dabei mit einem dreifach höheren Lohn und Sozialleistungen wirbt. Der Anteil an Wohneigentum ist hoch, soll bei 93% liegen. Daher sind allgemein niedrige Preise möglich. Die direkt neben unserem Hotel liege, in die Tiefe gebaute „Pallas Mall“ führt, zu entsprechenden Preisen, jedoch schon viele internationale Marken.
Einen Einblick in die Bildungswelt vermittelte das Deutsche Kulturzentrum, in das das Goethe-Institut integriert ist, sowie der vorbildlich von Frau Ruben geführte Kindergarten „Hänsel und Gretel“ mitsamt einer Grundschule mit ergänzendem Sprachunterricht in Deutsch. Den Eindruck einer offenen, intellektuel geprägten Stadt vermittelte besonders die zweiflüglige, nach Alexander Cuza benannte Universität, an der ich in einem Vortrag über Heines Napoleon-Kult und seine darauf aufbauende revolutionär-demokratische Theorie sprechen konnte; der Germanist und Celan-Spezialist Professor Corbea-Hoisie leitete souverän die anschließende Diskussion. Ein Blick in die alte, die Sitzreihen hoch türmende Aula zeigte an der Kopfwand große Porträts von Carol I. und seiner Frau Eilsabeth, geb, zu Wied. Frau Dr. Spies betonte an der Privatuniversität „Petre Andrei“, die sich immer mehr technisch ausrichtet, den Zusammenhang der deutschen Hochsprache mit den Eck-Persönlichkeiten Luther und Goethe.
In der Kultur wurde unsere Begegnung schon am ersten Abend in der Nationaloper mit Tschaikowskis Ballett „Schwanensee“ in der erzählerischen Inszenierung des Stars Ileanea Iliescu. Mit großem Jubel wurde in dem dichtbesetzten Saal ihr runder Geburtatag gefeiert. Frau Dr. Spies konnte ihr, bedingt durch die Künstlerfreundschaft mit Livia Grama, auf offener Bühne einen Blumenstrauß überreichen und uns hinter der Bühne die Atmosphäre eines solchen Festes einsaugen lassen. Ein weiterer Höhepunkt war im großen Saal des historistisch-gotischen Kulturpalasts das Konzert des aus Südtirol kommenden Klavierduos Grecu/ Fabri. Imponierend auch die Ausstellungen des restaurierten Hauses: Malerisches, Technisches (darunter vorzügliche Wiedergabegeräte aus Leipziger Werkstätten), Ethnisches mit klugen volkskundlichen Erläuterungen, Stücke der vorrömischen Cocenteni-Kultur. Hinter dem Palast, dessen Glockenturm von einer schönen Gießerarbeit geschmückt ist, das tiefe, neobarocke Tal mit Treppen, Springbrunnen und Teich.
Beim Rückflug über Wien wurde wir durch die Nachricht erfreut, daß es den Nationalliberalen in Bukarest, die auch den Präsidenten Iohannis tragen, gelungen ist, eine neue Regierung jenseits der korrupten, postkommunistischen Partei zu bilden.